FR:ESSEN auf Rädern - Eine Fränkin und ein Hesse mit dem Rad in der Welt

Matze denkt über Bolivien

 

 

Bolivien 1 oder „Ein Lächeln sagt mehr als tausend Worte“

Was haben die Bolivianer eigentlich gegen Zähne. Vor allem gegen Vorderzähne. Wenn man hier durch die Straßen läuft sieht es aus als träfe man auf die Seniorenmannschaft der Vancouver Canucks. Die Hälfte der Einheimischen tragen stolz beachtliche Zahnlücken vor sich her oder verzichten gänzlich auf ihre Schneidezähne. Dabei finde ich gesunde und gepflegte Zähne eher schmuck.

Ich hatte schon die Idee, dass das Kauen der Kokablätter die Zähne angreift aber dann wären ja eher die Backen- als die Schneidezähne betroffen. Da es vor allem auch junge Frauen betrifft habe ich meine eigene Theorie aufgestellt.

Bei der bolivianischen Heirat gibt es nämlich einen besonderen Brauch. Am Tage der Eheschließung stehen sich Braut und Bräutigam gegenüber und schlagen sich wechselseitig mit der bloßen Faust in die Fresse. Und zwar so lange bis einer „Stopp“ ruft. Der Gewinner ist dann für den Rest des Ehelebens der verantwortliche Hausvorstand. Da die Männer in der Regel über mehr Kraft verfügen fliegen die Vorderzähne der Frauen halt etwas früher raus. Was nicht heißen soll, dass sie am Ende nicht die Hosen anhätten.

Schöne Grüße aus dem Colgate-Land!!!

Matthias Siemon, Potosí, 15.5.2013

 

Bolivien 2 oder „Die Geräusche des Satans“

Leise ist es in Südamerika nie, aber das habe ich ja schon einmal erwähnt. In Bolivien allerdings sind ein paar neue Sounddateien dazu gekommen.

Nun ist mir bekannt, dass einige fränkische Leser meiner kleinen Geschichtchen über eine extreme ästhetische Wahrnehmung verfügen. Ich werde daher im weiteren Verlauf dieser Schilderung auf selbst erdachte Umschreibungen zurück greifen um die sensibleren Leser zu schonen:

 

Tätätä – steht für Essen vorne raus

Tütütü – steht für dünnes Essen hinten raus

Tötötö – steht für Luft hinten raus

 

Seit etwa zehn Tagen verweile ich nun schon in diesem mehr oder weniger gastfreundlichen Lande. Bisher ist keine Nacht vergangen in der ich nicht durch ein kräftiges Tätätä aufgeweckt wurde. Der Tourist verträgt nun einmal die bolivianische Küche nicht so gut. Wobei, das Essen ist gut, nur mit der Hygiene mangelt es im grobem Masse. Und der Bolivianer neigt zum erhöhten Alkoholkonsum. Und wenn ich Alkohol sage dann meine ich nicht etwa Bier oder Wein oder Schnaps sondern ich meine wirklich 96%igen Alkohol den es hier in Plastikflaschen an jedem Kiosk zu kaufen gibt. Da spart man sich dann lästigen Geschmack drum rum. Der Genuss dieser fragwürdigen Spirituose allerdings führt zu einheimischen Tätätä. Überall Tätätä!!!!

Und natürlich Tütütü!!! Zum Einen sei es der Höhe (bis 4850m waren wir) geschuldet, zum Anderen den zuvor erwähnten hygienischen Bedingungen. In einem Landhospital in der Mitte von Nirgendwo wurde mir geraten doch auf Essen von der Straße zu verzichten. Nein, meine treuen Leser, ich meine sicherlich nicht Essen von der Straße, sondern Essen welches am Straßenrand verkauft wird. Ganz ehrlich...es gab nichts anderes!!!

Um einmal eine Lanze für Bolivien zu brechen, das Essen ist dreimal besser als es uns geschildert wurde. In kleinen Städten gibt es immerhin einen Markt auf dem verschiedene Speisen feilgeboten werden. Ist auch meist die bessere Wahl, denn in Restaurants kredenzt man zumeist trockenes Huhn mit trockenem und kaltem Reis.

Auf den Märkten allerdings gibt es verschiedene Suppen (Best of: Erdnusssuppe mit Huhn), Picantes (wenig pikant, aber lecker), ..........

Besonders in den größeren Städten erfreut einen die reichliche Auswahl an Obst und Gemüsen. Eigentlich die größte Vielfalt Südamerikas welche wir bisher sahen. Passionsfrüchte, Mandarinen, Pomelos, Orangen, Papaya, hunderte Bananensorten, getrocknete Lamababys (ohne Scheiß!!!) und ewig viele unbekannte Früchte und Gemüse. Nur um die Fleischabteilung mache ich gerne einen Bogen. Ohne Kühlung riecht es doch etwas streng.

Aber zurück zu den speziellen bolivianischen Geräuschen, es fehlt ja noch das Tötötö. Meines Erachtens ist hier vor allem die Höhe zu beschuldigen. Auf dem Weg nach Bolivien übernachteten wir vor einer Schule, etwa auf 3400m. Mitten in der Nacht wachte ich auf mit Schmerzen im Gekröse. Ich öffnete den Schlafsack und mein Bauch war selbst im Liegen grösser als bei der Abschiedsparty in Wädi. Ich ging dann auf die Toilette (ein Loch im Boden, umsäumt von brüchigen Lehmwänden) und war froh um das Dach und die Wände. Ansonsten wäre ich nämlich davon geflogen wie ein nicht zugeknoteter Luftballon und wäre erst wieder irgendwo auf dem Altiplano aufgeschlagen. Andrea hätte sich wohl gewundert über ihre plötzliche Solofahrt.....aber auch nicht lange, man kennt ja die Fr. Doktor.

Eines der besten Dinge in Bolivien, um nicht zu sage das Beste in Bolivien sind die Liquados. Um einen Liquadostand zu eröffnen braucht es nicht viel. Es braucht einen Mixer...das wars!!!

Es gibt Liquados mit Maraquja, Banane, Erdbeere, Papaja und Apfel. Aber ich schätze man könnte auch mit einem getrocknetem Lamababy unterm Arm daher spaziert kommen und man bekäme einen Lama-Liquado.

Wie auch immer...Hygiene-katastrophal....Essen-fein

Matthias Siemon, Sucre 20.5.2013

 Bolivien 3 oder „Die Simulation“

Vielleicht möchte ja ein Schweizer oder ein Deutscher gerne wissen wie es ist in Bolivien zu radeln. Das ist ganz einfach zu simulieren.

 

Ihr braucht:

Man stelle ein Ergometer in das freie Zimmer und befestige die UV-Lampe direkt über diesem. Der Widerstand an dem Ergometer muß auf das Maximum eingestellt werden, ebenso die UV-Lampe. Der Diesel-Generator befindet sich außerhalb des Raumes, allerdings so, dass die Abgase in das „Bolivien-Zimmer“ geleitet werden. Man starte nun das „Bolivien-Training“ indem man etwa 2 Stunden bei maximalen Widerstand pedaliert, wobei man sich die Plastiktüte über den Kopf stülpt. Nach etwa einer halben Stunde erreicht man so den hier üblichen Sauerstoff-Partialdruck.

Der Assistent hat derweil die Aufgabe den Trainierenden viertelstündlich mit einer Schaufel Dreck zu bewerfen.

Um möglichst wirklichkeitsnah zu trainieren wird der Müll der letzten zwei Monate gleichmäßig im Raume verteilt. Die beiden LKW-Hupen werden in kurzer Distanz zu den Trommelfellen des Radlers angebracht und von dem Assistenten in unregelmäßigen Abständen aktiviert.

Zwei Stunden pedalieren, eine halbe Stunde Pause...insgesamt 7 Stunden lang, zu trinken gibt es wenig und schlechtes Wasser. Am Ende des Trainings setzt man sich dann in eine 1 Grad kalte Gefriertruhe und versucht zu schlafen!

Danke Bolivien!!!!

 

PS.: Zur Herstellung echten bolivianischen Trinkwassers braucht man eine Mixtur aus Katzen- ,Menschen- und Lamakot. Diese Mischung wird in deiner Zwei-Liter Pet-Flasche mit Wasser versetzt und dann für etwa drei Wochen an einem dunklen und warmen Ort gelagert...Prosit

Matthias Siemon, Sucre, 19.5.2013

 

Bolivien 4 oder „Tristesse“

Was haben die Bolivianer eigentlich gegen Spaß? Wenn ich mit nur einem Wort Bolivien beschreiben sollte so fiele meine Wahl auf das Wort „trist“.

Mag auch die Landschaft einen großartigen Weitblick gestatten, sind doch die vorherrschenden Farben: Aschgrau, Zementgrau, Mausgrau und Aschfahl.

Aber um die bolivianische Tristesse am besten zu beschreiben stelle ich hier mal einen kleinen Vergleich an.

In Uspalata kamen wir nach dem Osterwahnsinn ( siehe matze denkt „Easter Madness“) auf einem Campingplatz an. Kurz nach uns checkten drei Argentinier ein. Die Jungs (siehe „Menschen“) gingen in die Stadt, kauften Wein und Fleisch und starteten eine klassische Parilla. Obwohl ich selber eine Flasche Wein vor mir stehen hatte wurde ich direkt eingeladen und es wurde gelacht und getrunken und Musik gab es auch. Zwei Tage lang, und zum Abschied wurde mir noch eine Mütze geschenkt.

In Bolivien sah ich alte Damen an einem Marktstand kleine Fläschchen mit Alkohol feilbieten. Ich witterte eine gute Gelegenheit um meine Kamera und das Laptop zu putzen. Leider mußte ich feststellen, daß der Alkohol kein Isopropyl-Alkohol war und die Kamera mehr verschmierte als säuberte.

Darauf dämmerte mir, dass ich in diesem Falle Trinkalkohol gekauft hatte. In der Mienenstadt Potosi wurde aus der Ahnung dann Gewissheit. Dort wurde in 0,5, 1, 2 und drei Liter Plastikkanistern 96%iger Trinkakl in den Kiosken angeboten. Warum Wein, Bier oder Schnaps trinken wenn man auf den Geschmack verzichten kann!!!!! Rein damit!!!!!

Und so sieht auch die bolivianische Trinkkultur aus. Fünf Männer sitzen in einer dunklen Kaschemme und reden nicht, geschweige denn von gemeinsamen Lachen. Man schüttet einfach den Akl in sich rein, solange bis man besoffen genug ist um sich auf die Straße zu legen und im Dreck zu schlafen.

Ich jedenfalls bevorzuge die argentinische Variante!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Matthias Siemon, Sucre 19.5.2013

 

Bolivien 5 oder „Hat eigentlich gar nichts’ mit Bolivien zu tun!!!!“

Ich habe eine schlimme Allergie entwickelt. Aber ich bin nicht der Einzige. Klara & Flo, momentan unterwegs in Uganda, hat in Asien dasselbe Leiden befallen. Eine schwere und nicht zu kurierende Abneigung gegen Hostel-Gelaber.

Das Maximum war in Mendoza aber gerade sitze ich in Sucre in unserem eigentlich sehr schönen Hostel und muß dem sinnfreien Gequatsche besoffener Franzosen zuhören.

Die Hostel-Unterhaltungen sind streng genommen auch keine Unterhaltungen. Jeder redet auf den anderen ein und immer nach demselben Motto:

 

„Ich war schon hier, ich war schon da, ich war schon in Amerika“

 

oder

 

„Ich kenne dies, ich kenne das, ach so viele Stempel in dem Pass“

 

oder

 

„Du warst da und ich war dort, morgen reise ich wieder fort“

 

Immer derselbe Scheiß, und keiner hört den Anderen zu, weil die Plätze an denen sie waren, sprich Hostels in touristischen Hochburgen, absolut austauschbar sind.

Matthias Siemon, Sucre 21.5.2013

 

Bolivien 6 oder „Ist das alles richtig so?“

Unsere Rute durch Bolivien führte uns durch Villazon, Tupiza, Potosi und Sucre. Von Tupiza aus machten wir eine viertägige Rundfahrt. Wir sahen eine eindrückliche Landschaft mit Bergen, Schluchten und natürlich der großen Salzfläche bei Uyunin. Wir stellten persönliche Höhenrekorde auf 4850m, lernten Coca gegen die Höhenkrankheit zu kauen und uns langsam zu bewegen da einem sonst mal schnell der „Schnuuf“ wegblieb.

Bei unserer 4x4-Rundreise hielten wir zur ersten Essensrast in einem kleinen Dorf im Nirgendwo. Das Essen war im Jeep und Christian (siehe  „Menschen“) fragte direkt ob die Bewohner denn auch in irgendeiner Weise von unserem Auftauchen profitieren würden. Es waren zu diesem Zeitpunkt etwa acht Reisegruppen anwesend. Nachdem wir fertig gegessen hatten gab es dann die Antwort! Die Dorfkinder bekamen die Reste von unserem Essen.

Potosi ist bekannt durch den Bergbau. Abgebaut wird vor allem Silber, aber auch Zinn, Blei und Kupfer. Wir machten eine geführte Tour in eine der Minen. Ich brach nach einer halben Stunde ab und kehrte um, Andrea zog die Sache durch.

Auf die Frage nach Kinderarbeit erklärte uns unser Guide, dass es Kindern verboten wäre in dem Inneren der Stollen zu arbeiten und dass diese nur zu leichten Arbeiten eingesetzt werden dürften. Auch gäbe es mittlerweile strengere Kontrollen.

Vier Tage später hatten wir dann in Sucre die Möglichkeit den Film „The devil`s miner“ anzuschauen (absolute Empfehlung!!!!!!!).  Ich denke der kam der Wahrheit doch deutlich näher!!! Kinderarbeit ja, Lebenserwartung 45 Jahre, Sicherheit nein!!!

Klar war ich auch schon in dem bettelarmen Eritrea, klar gibt es auch in Argentinien einen Haufen armer Menschen und ich weiß auch, daß man als europäischer Tourist sowieso eine fette Made in armen Länder ist. Aber ob das hier in Bolivien mit dem Tourismus auf einem guten Wege ist wage ich zu bezweifeln!!!!

 

Sucre, 22.5.2013

 

Bolivien 7 oder „Karriere“

 

Der öffentliche Personennahverkehr wird in La Paz mittels Kleinbussen abgewickelt. In einer nie enden wollenden Schlange fahren diese die viel frequentierten Plätze der Stadt an um Passagiere aufzunehmen und/oder abzuliefern. Leider haben diese Busse keinerlei Beschilderung welche dem Reisenden anzeigen könnten zwischen welchen Plätzen dieser oder jener Kleinbus verkehrt. Der tüchtige bolivianische Fuhrunternehmer ist jedoch auf dieses Problem vorbereitet und löst es auf seine eigene unwiderstehliche Art und Weise. Er setzt einfach ein minderjähriges Kind, anzunehmender Weise meist ein direkter Spross der eigenen Lenden,  an die Schiebetür. Dieser hat nicht nur die Fahrtziele lauthals zu verkünden, es obliegt ihm auch die Verteilung der Sitzplätze sowie das Einkassieren des Beförderungsentgeldes. Das Ansagen des Fahrtzieles jedoch ist immer noch die vornehmliche Hauptaufgabe des „Busassistenten“. Für die geneigten europäischen Leser möcht ich die übliche Ansagetechnik anhand eines Beispiels, in dem Falle Marburg, da legen:

„Vom Bahnhof zum Rudolfplatz, vom Rudolfplatz zum Wilhelmsplatz, vom Wilhelmsplatz zur Universität und zurück!!!!!!“

Diese Wortabfolge schreit das ungebildete Menschenkind etwa dreihundert mal am Tag der wartenden Menge zu. Das dieses zur eigentlichen Schulzeit passiert interessiert in Bolivien keinen Spatz, hat der Junge doch nun ein geregeltes Auskommen.

 

Lebenslauf:

 

Name: Pedro Bolivar, Sohn von Pedro Boliviar sen. und Cholita Boliviar, geb. Grasa

 

12.6.1998: geboren in La Paz, dreihundersiebenundvierzigste Backsteinecke, rechts

 

24.8.2004: Einschulung in die Escula primaros

 

22.9. 2004: Schulabbruch aufgrund eines außerordentlich attraktiven Jobangebotes

 

23.9.2004: Anstellung als Kleinbusassistent im väterlichen Betrieb „Bolivar-Taxi“

 

24.9.2004: Zertifizierung als: „Vom Bahnhof zum Rudolphplatz, vom Rudolphplatz zum Wilhelmsplatz,       vom Wilhelmsplatz zur Universität und zurück!!!!!!“-Ansager

 

5.8.2006: abgeschlossene Zusatzqualifikation:

31.5.2009: abgeschlossene Bachlorarbeit: „Sitzplatzmanagement in Kleinbussen unter

            beengten Verhältnissen“

 

26.7.2012: Lehrtätigkeit an dem bolivianischen Institut für Busassistenten. Thematik: „Stimmbildung im frühen Erwachsenenalter“.

 

12.10.2012: abgeschlossene Masterarbeit: „Statistische Kleingeldverteilung bei bolivianischen Busreisenden unter Berücksichtigung der aktuellen  Inflationsrate“

 

Leider mußte Pedro Bolivar seine grandiose Karriere als Busassistent aufgrund einer anhaltenden Stimmbandentzündung aufgeben. Momentan absolviert er aber die Ausbildung zum staatlich anerkannten Pampelmusenpresser im zweiten Bildungsweg.

 

 

La Paz 20.6.2013