Matze denkt auf dem Schiff
Folter:
Nun haben wir in Hamburg und in Antwerpen den Beladevorgang eines Container-Schiffes beobachten können. Und ja, es ist am Anfang, alleine ob der gewaltigen Logistik interessant und auch die schiere Menge der Container, sowie die Größe der Kräne beeindruckt. Aber die Vorgänge widerholen sich und das Interesse flacht schnell ab. Zudem ist es laut.
Aber in Le Havre wurde ich auf das barbarischste gefoltert. Obschon die Signallaute der kleinen Zubringer, ebenso wie die der großen Kräne eher dissonant sind, setze Le Havre, genauer gesagt der Container-Terminal noch das Sahnehäubchen oben drauf.
Es fällt mir wirklich schwer dieses in Worte zu fassen aber der musikalisch etwas gebildete Mensch mag mir vielleicht folgen können. Jeder kennt die Klavier Edituete: „Für Eliese“. Diese beginnt, lautmalerisch ausgedrückt mit einem sich widerholenden Halbtonintervall. – Di Dü Di Dü Di-, um sich dann in einer schönen Moll-Melodie –Da Do Da Du- aufzulösen.
Jetzt machen aber die riesigen Kräne in Le Havre, immer wenn ein Container richtig platziert war nur –Di Dü Di Dü Di-....fertig. Und mein Hirn vervollständigte das Ganze mit: –Da Do Da Du-.
Meine geschätzten Freunde und entfernten Bekannten! Könnt ihr euch vorstellen wie man sich fühlt, wenn man einen ganzen Abend, pedantische Personen sprächen hier von neun Stunden, das eigene Hirn dabei beobachten kann wie es regelmäßig, pedantische Personen sprächen hier von einem drei-Minuten- Rhythmus, die Melodie –Da Do Da Du- zu jeder Kran-Aktion hinzufügt. Was soll ich sagen: „Es gab noch Schnaps, aber geholfen hat es wenig!!!!!!!
Le Havre, 24.8.2012
Na Super !!!
Wenn sich ein Mensch entschließt den Atlantik mittels eines Frachtschiffes zu überqueren, so kann man davon ausgehen, dass dieser, sollte er nicht unter entsetzlicher Flugangst leiden, eine gewisse Affinität der Seefahrt gegenüber besitzt. Nun, ich mag das fliegen in engen Verkehrsmaschinen nicht, aber einer entsetzlichen Flugangst bin ich bis dato noch nicht anheim gefallen.
So wir sitzen also in der Offiziersmesse beim Mittagessen und der Kapitän ist ebenfalls anwesend. Es entwickelt sich ein Gespräch über verschiedene Reedereien, die unsrige ist die „Hamburg Süd“. Vieleicht nicht ganz so klangvoll wie die „Ostindien Trading-Company“ aber doch immerhin verbandelt mit der Geschichte der Hanse. So, und dann wurden wir mal aufgeklärt wem die Reederei gehört.............“Dr. Oetker“........!!!!!!!!!!
„Super“, dachte ich, „das erste Mal richtig auf See und dann mit nem Schiff vom Puddingfritzen!“.
Sollten wir auch wieder mit dem Schiff zurück nach Europa kommen, dann weiss ich ja jetzt schon mit wem.....“Käpten Iglu!“.
Als Passagiere bewohnen wir die Eignerkabine, Eigner ist Dr. Oetker, ich schlafe also im Bett vom Dr.Oetker. Das macht sich bestimmt gut im Lebenslauf.
PS.: Kann mal jemand heraus finden in was Dr.Oetker promoviert hat.
So etwa 60 Seemeilen vor Portugal, 25.8.2012
Der Seemann
Fährt man das erste Mal zur See wird man das Verhalten der Seemänner als zurückhaltend und ein wenig mürrisch erleben. Dies kann den etwas weniger selbstbewußten Reisenden unter Umständen verunsichern. Dazu muß man begreifen, daß das Leben an Bord eines Schiffes seit je her maskulin geprägt und streng hierarchisch aufgebaut ist. Nichts desto weniger ist der Seemann immer für einen derben Scherz zu haben. Nur so, lieber Reisende, wird man in die Gemeinschaft aufgenommen. Also legt ab jegliche falsche Scheu und munter drauf los gescherzt. Um euch den gekonnten Umgang mit einer Seemannschaft auch praktisch etwas näher zu bringen, hier ein paar meiner besten Momente.
- den Kapitän brachte ich durch joviales Schulterklopfen und durch die konsequente Anrede als „Käpten Ahab“ auf meine Seite
- um meine maritime Begeisterung zum Ausdruck zu bringen schlich ich mich bei dem ersten Ablegen in Hamburg auf die Brücke und schrie: „Rauf in die Wanten ihr Himmelhunde, refft die Brasse und winscht die Fock, für König und Vaterland!!!!“
- die Deckcrew sind allesamt Phillipinos, welche durchgehend, selbst für meine Verhältnisse, eher klein gewachsen sind. Wann immer ich also einen Phillipino sah, nahm ich ihn in einen Schwitzkasten, gab ihm eine sanfte Kopfnuss und sagte: „Na du kleiner Racker!“
- auch wird an Bord ein zupackender Mann sehr geschätzt. Der Kapitän schaute mich begeistert an als ich mit fester Hand das Schiff mit dem Handruder gen Westen drehte um einen besseren Blick auf den Sonnenuntergang zu haben.
- man muss den Männern an Bord auch etwas zu tun geben und ihnen die Möglichkeit einräumen sich zu beweisen. Aus Knallpapier und Klebeband bastelte ich eine mannsgrosse Puppe, bekleidete diese mit einem Overall und warf selbige an einem lauen Sommerabend über Bord. Rief noch schnell „Mann über Bord“, öffnete ein Bier und genoß das Schauspiel
- wann immer mir einer der polnischen Bordelektroniker begegnete, zog ich die immer mitgeführte Flasche Rum (hohoho) und gellte: “Trink Brüderchen, Kosackenkaffee!!!“
- auch darf man hier jedem immer frisch und frei seine Meinung sagen. So sagte ich letztens beim Frühstück dem Kapitän das er doch bitte seinen rostigen Seelenverkäufer so steuern solle, daß diesem lästigen Geschaukel umgehend Einhalt geboten werde. Der Kapitän verliess wortlos die Offiziersmesse, wahrscheinlich um meiner Bitte direkt nachzukommen.
Wie ihr sehen könnt, oh liebe Reisende der Welt, auch auf einem Schiff muß man einfach sich selbst treu bleiben. Als ich schließlich von Bord ging versammelte sich die gesamte Besatzung um mein von Bord gehen mit Jubelgeschrei und geworfenen Hüten und Helmen zu begleiten. Selten wurde ich so gefeiert, Erfolg auf der ganzen Linie.
So etwa 300 Seemeilen vor Cap Verde, 28.8.2012
Seegang macht fett !!!
- Seegang macht müde, da kann man schon mal zwölf Stunden schlafen. Wunderbares Mittel um seinen Kalorienverbrauch auf ein Minimum zu senken.
- Der Körper interpretiert das flaue Gefühl in der Magengegend als Hunger. Das kann schon mal zu einer Verdopplung der aufgenommenen Nahrungsmenge führen.
- Hier gibt es immer etwas zu Essen.
- Wenn man das Gegenteil von Brigittediät, Low-Fat, Low-Carb Food sucht, fragt man am Besten den Koch hier an Bord denn der hat es schon gefunden.
Diese unheilige Allianz führt in kürzester Zeit zu einer stattlichen Zunahme an Körperfülle und –gewicht.
Therapeutische Anwendung: Man stopft einen großen Dampfer voll mit all den essgestörten, kachektischen Magerpuppen, heuert unseren Koch an und kreuzt mit denen drei Monate im Herbst durch den Atlantik, der Rest geschieht dann von ganz alleine.
Kurz vor Buenos Aires, 11.9.2012
Stapelfüsschen
Man hat als Passagier auf einem Containerdampfer ja viel Zeit zum beobachten. Im Hafen beobachtet dann halt eben den Be- und Entladevorgang. Es gibt die gigantischen Kräne welche die Container von den LKW auf das Schiff hieven oder vom Schiff auf den LKW. In der ganzen hochtechnisierten Abfertigungsanlage sind mir recht bald zwei Arbeiter aufgefallen welche immer etwas an den Containern rumfummelten. Auf Nachfrage erklärte man mir, daß es, um Container ordentlich stapeln zu können, vier Twist-Locks (Stapelfüsschen) braucht. Der Ablauf sieht also wie folgt aus:
Abladen vom Schiff:
- Kran fast den Container
- Kran bringt den Container zum LKW
- Container hält auf Mannshöhe
- Stapelfüsschen abnehmen und in die Kiste
- Container auf LKW
Aufladen auf das Schiff:
- Container vom LKW
- Container hält auf Mannshöhe
- Stapelfüsschen an den Containern anbringen
- Kran lädt den Container aufs Schiff
- Kran löst Container
Und wenn Ihr das bis jetzt unglaublich langweilig fandet, dann stellt euch mal vor wie das ist in dem Job zu arbeiten. Warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab, warten, Stapelfüsschen ab warten........( uns so ein Scheiss-Stapelfüsschen wiegt locker 2kg!!!)
Und am nächsten Tag: Warten, Stapelfüsschen dran, warten, Stapelfüsschen dran, warten, Stapelfüsschen dran, warten, Stapelfüsschen dran, warten, Stapelfüsschen dran, warten, Stapelfüsschen dran, warten,...
Und das ganze acht Stunden lang, nachts, laut, gefährlich, ..., vierzig Stunden die Woche, Schichtarbeit. Und egal wie lange man den Job macht, es ändert sich nicht und nichts bleibt bestehen und man kann seinen Kindern noch nicht einmal zeigen was man in all den Jahren geschaffen hat.
Unser Schiff alleine hatte etwa 7000 Container geladen was bedeutet siebentausend mal...das erspar ich uns jetzt wohl besser.
Da sollte doch besser jeder von uns verwöhnten Weichpupern in aller Stille das Glas erheben und es so halten wie Keith Richards schon sang. „Lets drink to the hard working people“. Und dann ganz kleinlaut „Danke“ sagen!
Buenos Aires, 13.9.2012